Die Nachhaltigkeits AG des CLG Laupheim besuchte am 02.05.2023 eine Vortrag an der Hochschule Biberach mit dem Thema Unheimliche Heimat.
Dr. Susanne Knittel von der Universität Utrecht sprach über Heimat und thematisierte dabei die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts auf Identität, Geschichte, Gedächtnis und Heimat. Sie ist Expertin für kulturelle Erinnerung und marginalisierte Erinnerungen. Ihr Vortrag untersucht, warum bestimmte Ereignisse im individuellen und kollektiven Gedächtnis bleiben, während andere vergessen werden.
Frau Dr. Knittel beginnt mit Günther Grass und seinem Buch „Die Blechtrommel“, das die deutsche Geschichte aus Sicht des Protagonisten Oskar darstellt und die Kriegsverbrechen der Nazis anklagt. Im Anschluss zeigt sie ein Foto des Denkmals der grauen Busse, das an die Aktion T4 erinnert, ein Euthanasieprogramm der Nazis, bei dem Menschen mit Behinderungen und Krankheiten getötet wurden. Die Skulptur symbolisiert die Wiederkehr des Vergessenen und Verdrängten in die Gegenwart. Danach bezieht sie sich auf das Konzept des Unheimlichen, das von Sigmund Freud im 19. Jahrhundert entwickelt wurde. Das Unheimliche ist ein Gefühl, das durch vertraute, aber unheimliche Elemente ausgelöst wird. Frau Dr. Knittel verbindet dies mit dem Begriff der Heimat und betont, wie das Unheimliche in der Erinnerungslandschaft der Heimat präsent sein kann. Sie erklärt, dass Erinnerungen an die NS-Euthanasie als unheimlich betrachtet werden können, da sie in der Erinnerungskultur oft verdrängt und verfremdet werden. Sie stellt auch die unbequemen Kontinuitäten zwischen Vergangenheit und Gegenwart in Bezug auf Behinderung und Krankheit heraus. Als ein Beispiel für das
Unheimliche führt Frau Dr. Knittel Grafeneck auf, ein Ort, der sowohl Opfer eines Modernisierungsprogramms als auch ein Heim für Menschen mit psychischen Erkrankungen war. Im Folgenden betont sie die Bedeutung von Kunst und Literatur, die unheimliche Orte sein können, und erwähnt das Denkmal der Grauen Busse als Beispiel. Als Nächstes berichtet sie davon, dass die Opfer der Euthanasie lange Zeit marginalisiert und nicht als Zeugen oder Träger der Erinnerung wahrgenommen wurden. Erst spät erhielten sie Anerkennung und Unterstützung. Dies führte zur Marginalisierung der Erinnerung an die Euthanasie-Verbrechen. Die Geschichte der MS-Euthanasie und ihrer Opfer wurde also lange Zeit vernachlässigt und nicht gehört. Im Gegensatz zur Erinnerungskultur des Holocaust gab es kaum Zeugen oder Träger der Erinnerung für die Verbrechen der NS-Euthanasie. Die Opfer wurden nicht als Träger der Erinnerung anerkannt, ihre Stimmen wurden ihnen genommen. Frau Dr. Knittel erzählt, dass Kunst und Literatur eine wichtige Rolle spielen, um diese unheimliche Geschichte zu erfassen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die Geschichte der NS-Euthanasie wurde lange Zeit ignoriert und verdrängt, aber Künstler und Schriftsteller haben sich ihr angenommen, um sie zu erzählen. Das Denkmal in Grafeneck spielt eine bedeutende Rolle in diesem Prozess und regt die Betrachter zum Nachdenken über Zugehörigkeit und Identität an. Grafeneck selbst hat eine lange Geschichte, angefangen als Festung bis zur Nutzung als Tötungsanstalt durch die Nationalsozialisten. Zum Schluss berichtet Frau Dr. Knittel über die Rolle von Kriminalromanen bei der Erinnerung an die NS-Zeit. Kriminalromane sind ein relativ junges Genre aus England, wobei historische Kriminalromane einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten können. Als Beispiel führt sie den Heimatkrimi ,,Grafeneck“ von Rainer Gross an. In dem Krimi wird gezeigt, dass es keine Unschuldigen gibt. Zuschauer sind Mittäter und Leute die keine Fragen stellen, schweigen über das Thema. Als weiteres Beispiel erzählt sie von einem Film, in dem, wie in dem Krimi, die Heimat zum Tatort wird.
Insgesamt bleibt von dem Vortrag ein Eindruck von der Vielschichtigkeit des Heimatbegriffs.