„Meet a jew“ – eine persönliche Begegnung mit dem jüdischen Alltag in Baden-Württemberg

Meet a jew

„Wer von Euch hat denn jüdische Freunde oder Bekannte?“, fragte Lisa in die Runde des Gemeinschaftskundekurses der Kursstufe 1 des Carl-Laemmle-Gymnasiums. Dass es daraufhin im großen Saal des Laupheimer Museums zur Geschichte von Christen und Juden still blieb, kennt die Studentin aus Stuttgart aus vielen Veranstaltungen. Aus diesem Grund engagiert sie sich im Projekt „Meet a jew“. Der pädagogische Leiter des Museums, Herr Dr. Koch, hat das Begegnungsprojekt im Oktober nach Laupheim geholt. Idee des Projektes ist, Begegnungen mit in Deutschland lebenden jüdischen Jugendlichen zu ermöglichen und das aktuelle jüdische Leben kennenzulernen. Schätzungsweise leben in Deutschland derzeit ca. 200000 Juden, wovon rund die Hälfte in den jüdischen Gemeinden organisiert sind. Die 25-jährige Lisa und ihre Begleiterin, die 20-jährige Anna, überwinden das erste Schweigen schnell. „Wir geben Euch gleich mal Beispiele, was wir sonst so gefragt werden: Darf man an Schabbath tanzen gehen oder Sex haben? Muss man sich zu Purim und an Sukkot eigentlich betrinken? Haltet ihr euch an alle Regeln? Habt ihr selbst schon antisemitische Erfahrungen gemacht?“

Letzteres mussten beide leider bejahen. Das komme vor. An ihrer Stuttgarter Schule habe sie öfter ein beleidigend gemeintes „Du Jude“ gehört. Teils fehle es Menschen auch an Differenzierungsvermögen, so beispielsweise, wenn deutsche Juden für die Lage in Israel verantwortlich gemacht würden. Das mache die Frage nach ihrem Verhältnis zu Deutschland nicht unkompliziert, meinte Anna. Aber sie sei froh hier zu leben und finde Deutschland gut. Lisa stimmte dem zu und betonte ihre Liebe zu ihrer Heimatstadt Stuttgart. Anna wiederum kann der Stadt nicht so viel abgewinnen und legte Wert darauf, auf dem Land aufgewachsen zu sein.

Ihr unkompliziertes Auftreten führte zu vielen weiteren Fragen der Schülerinnen und Schüler des CLG. Bei ihren Ausführungen zum Umgang mit ihrer Religion spielten sich die beiden jungen Frauen die Bälle gekonnt zu. Sie betonten beide, dass ihnen ihr Glaube wichtig sei und sie die Gemeinschaft der Gemeinde, vor allem im Jugendzentrum, schätzten. Außerdem fühlten sie sich auch verantwortlich für die jüdischen Traditionen. Gleichzeitig kam auf die Frage, ob sie denn alle jüdischen Ver- und Gebote kennen würden, ein lachendes „Sehen wir so aus?“ „Ich bin nicht bereit, mich an alle Gebote zu halten“, gab Anna zu. Sie führte aus, dass sich die Hälfte der 613 Gebote ohnehin auf den Tempel bezögen. Zudem dürfe man Gebote im Notfall auch brechen, und dass es nicht immer ein richtig und falsch gebe, schätze sie an ihrem Glauben besonders.
Auf die Frage nach der Behandlung des Judentums im schulischen Unterricht, wünschten sich die beiden Studentinnen vor allem, das Judentum nicht nur auf eine Opferrolle zu reduzieren. „Es wäre cool“, so Lisa und Anna, „wenn man auch mal das moderne Judentum behandeln würde.“

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