Besuch der Zeitzeugin Juliana Zarchi

Am Dienstag, den 30. Mai 2017, fand im Viertelskreis eine Veranstaltung mit den Jahrgangsstufen 10 und 11 statt. Die fast achtzigjährige Juliana Zarchi aus Kaunas/Litauen, Tochter einer christlichen Rheinländerin aus Düsseldorf und eines jüdischen Litauers, erzählte uns von ihrem Leben in zwei Diktaturen.

Ihre Eltern durften in Deutschland nicht heiraten, deshalb gingen sie Mitte der 30er Jahre nach Litauen, wo Juliana 1938 zur Welt kam. 1941 aber schon marschierten deutsche Truppen ein und die dreijährige Juliana kam, getrennt von ihrer Mutter, als „Halbjüdin“ ins Ghetto von Kaunas. Sie konnte jedoch hinausgeschmuggelt werden und überlebte mit ihrer Mutter in einem Versteck. Ihr Vater wurde ermordet.

Gerta und Juliana Zarchi in Tadschikistan
Gerta und Juliana Zarchi in Tadschikistan (Bildquelle: Juliane Zarchi)

Obwohl sie also Opfer des Nationalsozialismus waren, galten sie für die Sowjets als faschistische Deutsche und wurden im Mai 1945 in Viehwaggons nach Tadschikistan deportiert. Dort wurden sie gezwungen, in Baumwollplantagen zum Wiederaufbau der Sowjetunion beizutragen – bei unmenschlicher Hitze im Sommer, geplagt von Malaria; und im Winter litten sie unter der Kälte. “Wir waren Sklaven”, erzählte Juliana Zarchi von der Erinnerung sichtlich aufgewühlt.

Besonders berührend war, als Frau Zarchi von ihren Eltern erzählte und Bilder zeigte – der Vater, von dem kein richtiger Abschied möglich war; und die Mutter, die den Verlust der Heimat nie wirklich verwand und deren Bilder so deutlich zeigten, wie sehr die harten Zeiten sie veränderten.

Erst nach 16 Jahren, 1961, durften sie nach Litauen zurückkehren; eine Ausreise in die Bundesrepublik wurde nicht erlaubt. Juliana unterrichtete dann als Dozentin für deutsche Sprache an der Universität in Kaunas.

Auch im Gedenken an ihre Mutter, die so litt und ihre geliebte Heimat nie wieder sah, engagiert sich Juliana Zarchi seit vielen Jahren gegen das Vergessen und geht dazu insbesondere als Zeitzeugin in Schulen.

So war ihr Wunsch auch, dass wir in unserer zunehmend wieder von nationalistischen Strömungen geprägten Gegenwart darauf achten und uns dafür einsetzen, dass sich diese Geschichte nicht wiederholt. Eindringlich warnte sie vor den Gefahren totalitärer Regimes und Diktaturen – “andere bestimmten unser Leben; es war, als ob wir unter einem Helm lebten, nicht frei denken durften”. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass viele Länder damals ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge nicht öffneten, mit katastrophalen Folgen; und Juliana Zarchi mahnte, dies bei der Diskussion um die Situation der Flüchtlinge heute zu bedenken.

Vermittelt wurde der Besuch von Frau Zarchi vom Ehepaar Jakobus, das sich im Maximilian-Kolbe-Werk engagiert.